Ausschluss der Sinti oder Roma aus der nationalsozialistischen Gesellschaft

1933 bis 1943

Nach Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler am 30.Januar 1933, zweifelte kaum noch jemand daran das die Weimarer Republik für immer Vergangenheit war. Die Wende zum autoritären NS-Staat zeichnete sich durch rücksichtloses Vorgehen, und Brutalität der NS-Führung aus. In einem abgestimmten Zusammenspiel von Terror,Propaganda und Bespitzelungssystem, errichteten die Nationalsozialisten bereits wenige Wochen nach Machtantritt (durch Ausschalten aller Wiedersacher) die von ihnen angestrebte Diktatur. Der NSDAP-Vertretungsanspruch, wurde durch Gleichschaltung von Presse, Polizeiapparat und Justiz erreicht. Hakenkreuze und Hitler-Portraits in Klassenzimmern und Amtsräumen, waren Sinnbild eines totalitären Systems, und Personenkultes um seinen "Führer" Adolf Hitler. Gegen Gegner ging das NS-Regime von Anfang an mit äußerster Härte und brachialer Gewalt vor. Politische Gegner, wie Menschen die nicht dem NS-Rassenideal entsprachen, wurden diskrimniert, verfolgt und entrechtet. Ein Instrument der NS-Herrschaft waren neu errichtete Konzentrationslager (KZ), die für politische Gegner und Minderheiten wie Juden, Sinti oder Roma zu Stätten brutaler Willkür wurden. Homosexuelle, Behinderte,Zeugen Jehovas oder so genannte Erbkranke wurden ebenfalls Opfer gewaltsamer Maßnahmen. Die einen Tag nach dem Reichstagsbrand erlassene Notverordnung vom 28. Februar 1933 setzte fundamentale Grundrechte außer Kraft, und verhängte über das 3.Reich einen permanenten, bis 1945 nie aufgehobenen Ausnahmezustand. Der Verlust persönlicher Freiheitsrechte, wurde von einem Großteil der deutschen Bevölkerung durch positiv empfundene Veränderungen, und territoriale Zugewinne kompensiert. Nach Kriegsende 1945 war vielen Deutschen sicher klar, das sich nur durch treue Unterstützung des Volkes und eines Großteils der Wehrmachtsführung, das verbrecherische NS-Regime 12 Jahre an der Macht halten konnte. 

Im großen Saal des Kulturvereins erließ am 15. 9.1935 der Reichstag die so genannten „Nürnberger Gesetze“. Formuliert wurden im Eilverfahren ein „Reichsbürgergesetz“ und ein „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“. Durch das „Reichsbürgergesetz“ erklärte man Juden zu minderen Staatsbürgern, das „Blutschutzgesetz“ verbot die Eheschließung zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Deutschen und führte den Straftatbestand der „Rassenschande“ ein. Die Bestimmungen galten ab 1936 auch für Sinti, Roma und Farbige. Damit wurde die rassistische Ausgrenzung und Verfolgung bestimmter Bevölkerungsteile zum Staatsgesetz.Rassenschande (auch Blutschande) war im 3.Reich ein verbreiteter Propagandabegriff mit dem Beziehungen zwischen Juden – nach der Definition der NS Rassegesetze und Staatsangehörigen „deutschen oder artverwandten Blutes“ verunglimpft wurden. Ehen zwischen Judenn und nichtjüdischen Deutschen wurden als Rassenverrat bezeichnet. 1935 wurden Eheschließungen von „Deutschblütigen" mit „Juden“ verboten und zwischenmenschlicher Kontakt mit Haftstrafen bedroht.Eine wenig später erlassene Verordnung weitete das Eheverbot auf andere Gruppen aus: Es sollten grundsätzlich alle Ehen unterbleiben, die die „Reinerhaltung des "Deutschen Blutes" gefährdeten. Ein Rundschreiben zählte dazu „Zigeuner, Neger und ihre Bastarde“ auf. 1 2 3 4

Antiziganismus

Propaganda

Bereits im März 1933 war das "Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda" unter Joseph Goebbels geschaffen worden. In kurzer Zeit gewann Goebbels die völlige Kontrolle über alle Medien und das kulturelle Leben. Presse, Rundfunk, Film und Literatur standen von nun an im Dienst der nationalsozialistischen Weltanschauung. Wie kein anderer Politiker seiner Zeit bediente sich Goebbels aller Möglichkeiten von Propaganda. Öffentliche Feste und Großveranstaltungen dienten der Selbstinszenierung und der Machtdemonstration des NS-Regimes. Alljährlich inszenierte Massenkundgebungen beschworen und festigten die Einheit von "Führer", Partei und Bevölkerung. Zehntausende ließen sich auf diesen Massenveranstaltungen von der allgemeinen Begeisterung mitreißen und jubelten "ihrem" Führer Adolf Hitler zu. Weite Teile der Bevölkerung verehrten Adolf Hitler wie einen Heiligen. Der Mitte der 1920er Jahre in der NSDAP entwickelte Führerkult wurde ab 1933 zum Organisationsprinzip eines ganzen Landes. Parolen wie "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" stärkten das Gemeinschaftsgefühl und die Identifikation des Einzelnen mit dem NS-System: Die von den Nationalsozialisten propagierte "Volksgemeinschaft" wurde von den meisten Deutschen auch als solche empfunden. Der Nationalsozialismus drang ab 1933 in alle Bereiche von Staat und Gesellschaft vor, und war mit einer rigiden Gleichschaltung des öffentlichen und privaten Lebens verbunden. Zahlreiche NS-Organisationen prägten das Alltagsleben der Deutschen jeglichen Alters. Im Zuge einer "geistigen Mobilmachung" sollten jeder Deutsche oder Europäer "Artverwandten Blutes" zu einem überzeugten Anhänger des NS-Regimes werden. Nicht mehr Beruf, Bildung, Herkunft oder Besitz sollten für die Bewertung eines Menschen wichtig sein, sondern nur noch Abstammung und Einsatz für die Volksgemeinschaft.

Rassepolitik

Es entsprach nationalsozialistischer Rassenpolitik, das auch Sinti oder Roma ab 1936 gemäß der Bestimmungen der sogenannten „Nürnberger Gesetze als "Artfremde" aus der deutschen Volksgemeinschaft ausgeschlossen wurden. In einem der maßgeblichen Kommentare zu den Gesetzen hieß es dann: „Artfremden Blutes sind in Europa regelmäßig nur Juden und Zigeuner“ 5.Damit war den Sinti oder Roma wie den Juden durch das sogenannte Reichbürgergesetz unter anderem auch das Wahlrecht entzogen. Gleichzeitig mit der Degradierung der Sinti oder Roma zu Bürgern zweiter Klasse wurden Ehen zwischen Mitgliedern der Minderheits- und Mehrheitsbevölkerung durch das Blutschutzgesetz verboten. Die Standesbeamten wurden angewiesen, Ehen zu unterbinden, wenn sie erfuhren, dass einer der zukünftigen Ehepartner nicht „reinblütiger Deutscher” war 6. Wenn ein Standesbeamter nur den Verdacht hegte, dass einer der Partner „zigeunerischer” Herkunft war, konnte er die Eheschließung verzögern. Dies war schon möglich, bevor die Sinti oder Roma als Gruppe von den Rassenforschern erfasst und registriert waren. Ein probates Mittel war die Herbeibringung von Ehetauglichkeitszeugnissen, mit deren Hilfe dann die Ehebefähigung festgestellt oder im Einzelfall bestritten wurde. Als Ablehnungsgrund wurde seite 1935/36 die „nichtarische” Abstammung genannt. Ab Mitte der Dreißiger Jahre wurden von vielen Städten Lager eingerichtet, in denen Sinti oder Roma interniert wurden und Zwangsarbeit leisten mussten 7. Diejenigen, die vorerst an ihren Wohnorten bleiben durften, mussten immer stärkere Einschränkungen hinnehmen, zum Beispiel Berufsverbote, Verbot der Benutzung bestimmter Verkehrsmittel, Läden und kultureller Einrichtungen 89. Nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 übertrugen die Nationalsozialisten diese diskriminierenden Erlasse und Ausgrenzungspolitik auch auf die dort lebenden Sinti oder Roma. Ab März 1939 erhielten alle Sinti und Roma im Deutschen Reich "Rasseausweise" statt ihrer eingezogen deutschen Pässe. Diese Registrierung erleichterte den Nationalsozialisten die Deportationen von Sinti oder Roma in Konzentrations und Arbeitslager.

Einleitung

Verfolgung und Diskriminierung-Stadtarchiv Rosenheim


                                                                           Arbeitsleben  

Eine Arbeitspflicht bestand im 3.Reich für alle erwerbsfähigen Bürger.Die Möglichkeit einer freien Berufswahl, oder Berufsausübung war jedoch stark eingeschränkt. Die von der Mehrzahl der Sinti oder Roma lange Zeit genutzte Möglichkeit des ambulanten Handels 10, wurde von den Nationalsozialisten zwar nicht vollständig verboten, aber auf immer weniger Personen beschränkt. Unter anderem aus dem Grunde, das die nationalsozialistischen Machthaber den ambulant Berufstätigen subversive Tätigkeiten unterstellten. Juden wie Sinti und Roma wurden bestimmte Tätigkeitsmöglichkeiten nach und nach untersagt, so dass die Betroffenen, die sich nicht den Arbeitsämtern zur Verfügung stellten Gefahr liefen als „Arbeitsscheue“, „Asoziale“ oder „Arbeitsverweigerer“ verfolgt zu werden.Ab 1939 erhielten Sinti oder Roma ein eigenes „Zigeuner“-Arbeitsbuch.Ab 1941 mussten Sinti oder Roma Arbeitsverpflichtungen unterschreiben. 1942 wurde auf gesetzgeberischem Wege die arbeits- und sozialrechtliche Stellung von Sinti und Roma wesentlich verschlechtert. Sie sollten keine Zulagen bei Schwerstarbeit erhalten 11, eine „Sozialausgleichabgabe“ zahlen und zudem wurde noch eine Sondersteuer in Höhe von 15 Prozent erhoben

Kirche und "Zigeuner"

„SIE SIND ZWAR GETAUFT, ABER...“  

Die Stellung der Kirchen zu den Sinti und Roma in 
Deutschland 
 
Warum  haben  die  beiden  deutschen  Kirchen  bei  der Deportation  der  deutschen  Sinti oder Roma geschwiegen und bei  ihrer  Aussonderung  sogar  mitgeholfen?  Diese Frage  kann  von  den Kirchenvertretern  auf  Dauer  nicht verdrängt werden.  Denn  die  deutschen  Sinti  oder Roma, die  in  die Vernichtungslager  geschickt  wurden,  waren nicht nur deutsche Staatsbürger, sondern zugleich Christen, und zwar überwiegend, zu neunzig Prozent, Katholiken. Trotzdem wurde diese Frage in der Theologie, in an-deren  Wissenschaften  und  in  der  Öffentlichkeit  bisher kaum gestellt, geschweige denn beantwortet. Was haben die Kirchen getan, als die Sinti oder Roma im  Mai  1940  aus  den  westlichen  und  nordwestlichen Grenzgebieten  nach  Polen  in  Arbeitslager  und  im  März 1943  aus  ganz  Deutschland  in  das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurden? Von den Repräsentanten der Evangelischen Kirche sind bisher  keine  Zeichen  des  Widerspruchs  bekannt.  Selbst die Vertreter der „bekennenden Kirche“ wie Pfarrer Dietrich Bonhoeffer, der sich wegen der Ermordung der Behinderten  und  der  Juden  dem militärischen  Widerstand anschloss und deshalb hingerichtet wurde, haben sich zur Deportation  der  Sinti oder  Roma  nicht geäußert.  Für  die anderen Widerstandskreise wie den Freiburger Kreis, den Kreisauer Kreis,  die studentische  Gruppe  „Weiße  Rose“ und den militärischen Kreis um Graf Stauffenberg gilt das Gleiche (Vgl. Christine-Ruth  Müller,  Dietrich  Bonhoeffers  Kampf  gegen  die nationalsozialistische Verfolgung  und Vernichtung  der  Juden, München 1990). Quelle
 
 
Am  6.  März  1943,  wenige  Tage  vor  der  Deportation, schrieb  der  Hildesheimer  Bischof  Machens  dem Vorsitzenden  den  folgenden  bedenkenswerten  Brief:  „In  den letzten  Tagen  sind  an  vier  Stellen meiner Diözese, es können mehr sein, katholische Zigeunerkinder aus Heimen und Pflegestellen abgeholt worden durch die Polizei. Man befürchtet sehr, dass ihr Leben in Gefahr ist. Ich frage  mich  seit  Tagen beklommenen Herzens,  was  kann geschehen,  um  unsere  Glaubensbrüder  zu  schützen  und zugleich vor unseren Gläubigen deutlich genug herauszustellen, dass wir weit von solchen Maßnahmen abrücken, die nicht  nur Gottes  und  Menschenrechte  missachten, sondern  das  moralische  Bewusstsein  im  Volke untergraben und Deutschlands Namen schänden. Aus Liebe zum Deutschtum und zur nationalen Würde müssen wir nicht nur zur  Regierung  in  Ehrerbietung  und  Offenheit  reden, sondern  ebenso  zu  unseren Gläubigen.  Die armen  Opfer dürfen nicht den Vorwurf erheben können, dass nicht alles geschehen  sei.  Es darf  in  der deutschen  Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstehen, als wagten wir nicht laut das ‚Non licet tibi’ zu sprechen, oder als sei es das deutsche Volk selbst, das hinter den Maßnahmen gegen die Nichtarier stehe. Die Regierung selber muss es wissen, dass die Bischöfe genötigt sind, laut zu ihren Gläubigen zu sprechen, wenn die Maßnahmen fortgesetzt werden, weil sie diese Belehrung unserer Herde schuldig sind und von Gott zu Schützern der Bedrängten bestellt sind".

Die deutschen Sinti sind in traditionell-katholischen, wie protestantischen Regionen meist römisch-katholisch. Dies hat sie allerdings nicht vor Ausgrenzung und Deportation bewahrt.Hohe Kirchenführer ließen ihre “Brüder im Glauben" in Stich.Diese durch die Öffnung der Faulhaber-Tagebücher erschlossene Quelle belegt den zeitlich ersten Versuch der deutschen Sinti oder Roma, in der Mehrzahl Mitglieder der katholischen Kirche, die Bischöfe zu einem Einschreiten gegen die Verfolgungsmaßnahmen des nationalsozialistischen Regimes zu bewegen."Bei Sekretär ein Zigeuner namens Adler, katholisch. Die 14.000 Zigeuner im Reichsgebiet sollen in ein Lager gesammelt und sterilisiert werden, Die Kirche soll einschreiten. Will durchaus zu mir. Nein, kann keine Hilfe in Aussicht stellen". Der Münchner Erzbischof Kardinal Michael von Faulhaber, stenographierte am Montag den 5. April 1943 mit wenigen Sätzen den Hilferuf des verzweifelten Katholiken Adler (17) und dessen Ablehnung. Adler wurde nicht vom Erzbischof empfangen um die akute Notlage schildern zu dürfen,und bringt die distanzierte Haltung Faulhabers zu den katholischen Sinti oder Roma konkret zum Ausdruck. Es finden sich, so weit dies beim momentanen Stand der Durchsicht der Unterlagen gesagt werden kann – keinerlei positiv konnotierte Notizen Faulhabers zu dieser Minderheit. Er betrachtete deren Angehörige in religiöser, ethnischer, politischer und kultureller Differenz mit negativen Stereotypisierungen als Fremdkörper in der Gesellschaft. Begegnete ihnen nicht auf persönliche Art oder gar als Glaubensbrüder in christlichem Selbstverständnis. Beobachtete sie von außen, wie entsprechende Notizen nahelegen. Auf einer Frontreise, als bayerischer Feldpropst des Ersten Weltkriegs zeichnete Faulhaber in Rumänien eine Szene, die er in sein autobiographisches Manuskript einbaute: "Nicht bloß in jeder Stadt, auch in jedem Dorf gibt es ein Ghetto der Zigeuner, die in religiöser Hinsicht Nihilisten, in musikalischer Hinsicht Meister sind und mit ihrer Musik und ihren Tänzen sich den Unterhalt des Lebens verschaffen" (18). 

"Adlers" Besuch eröffnete offenkundig eine Reihe weiterer Hilferufe. Vielleicht stammten jene anonymen Schreiben von Anfang Mai 1943 wiederum von ihm, da auch hier die Deportation und die Sterilisierung thematisiert werden. Ein Bericht mit einer Bittschrift richtete sich an den Erzbischof von Freiburg, Conrad Gröber. Mit der Feststellung, "dass es sich um 14.000 gläubige Katholiken handelt, die fest auf die Fürsprache Ew. Eminenz rechnen," glich die Formulierung Faulhabers Notat. Im beigefügten Bericht unterstrich der Verfasser, alle "Zigeuner sind Deutsche und haben sich stets als Deutsche gefühlt" und betätigt, nun würden alle "Zigeuner sowie Zigeunermischlinge" in das Konzentrationslager Auschwitz gebracht. Habe, Gut und Geld werde ihnen abgenommen, eine Erklärung nicht geliefert: "Alle gegen uns Zigeuner durchgeführten Maßnahmen werden uns nicht begründet, durch keinerlei schriftliche Unterlagen höherer Stellen belegt, sondern einfach von unteren Stellen ausgeführt. Es kann nicht der Wille des Gesetzgebers sein, dass man Frauen und Kinder in Konzentrationslager steckt, ganze Familien nur wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem Stamme dort sterben lässt, ohne auch nur die leiseste Begründung irgend eines kriminellen oder staatsfeindlichen Verbrechens in Händen zu haben". Der Bericht formulierte es klar: "Man geht systematisch dazu über, unseren Stamm auszurotten". 

Schule 

In der Frage der Schulpflicht für Sinti oder Roma gab es immer wieder Unsicherheiten bei Schulleitung und Behörden, die vielfach eine Ausschulung befürworteten 12. Das Wissenschaftsministerium hatte schon 1939 für Österreich verfügt, dass "Zigeunerkinder" vom Unterricht ausgeschlossen werden konnten. Das Reichssicherheitshauptamt leitet diesen Erlass 1941 an die Schulbehörden weiter, die dann selbständig über das Verbleiben oder den Ausschluss befinden konnten wen sie - wie es in der entsprechenden Verfügung hieß - durch ihr Erscheinen im Unterricht andere Kinder störten. (DOK) Bezug genommen wurden dabei auf einen Erlass, der seit 1938 im österreichischen Teil des Großdeutschen Reiches gegen Sinti oder Roma angewandt werden konnte. Was konkret „Störung” hieß, blieb nach Erlasslage unklar und wurde auch nicht weiter präzisiert. Es wurde ein weiterer Ausschlussgrund genannt: wenn Sinti oder Romakinder eine Gefahr für die anderen Schüler bildeten, konnte auch in diesem Fall ein Ausschluss erfolgen. Eine Präzisierung der „Gefahr” war allerdings nicht im Erlass zu finden, es sei denn man interpretiert den Hinweis auf sittliche Beziehung als eine solche mit Bezug auf das Blutschutzgesetz von 1935.Mit anderen Worten: die Sinti- und Romakinder mit deutscher Staatsangehörigkeit, die aber offiziell einer sogenannten „Fremdrasse” angehörten, waren gemäß der zitierten Verfügung zwar nicht zwangsläufig vom Schulunterricht ausgeschlossen, aber es wurde den Schulleitern die Möglichkeit eröffnet, dies zu tun. Es lag also im Ermessen der jeweiligen Schulen, der Lehrer und der Eltern der Nichtsintikinder, ob die sogenannte „Zigeuner”-Kinder vom Schulbesuch ausgeschlossen wurden. In den Gemeinden wurden die Bestimmungen unterschiedlich ausgelegt.Bezug genommen wurden dabei auf einen Erlass (Dok.links oben) vom 21.11.1941 der im 3.Reich gegen Sinti oder Roma angewandt werden konnte.  

 

                                                               

 1933-45

Die Nationalsozialisten gingen von der sozialdarwinistischen Vorstellung eines naturgegebenen "Kampfes um das Dasein" der Völker und Rassen aus und waren von der Überlegenheit der "arischen Rasse" überzeugt. Aus nationalsozialistischer Sicht war dieser Kampf unausweichlich. Zu Hitlers grundlegenden Zielen gehörten daher von Anfang an die Vernichtung des "jüdischen Bolschewismus" und die Eroberung von "Lebensraum im Osten". Das dieser Kampf nur mit "Ariern" oder Menschen Artverwandten Blutes erfolgreich geführt werden konnte, war ideologische Grundlage nationalsozialistischer Weltanschauung.Seit November 1937 sollten gemäß eines vertraulichen Erlasses des Reichs- und Preußischen Ministers des Innern „vollblütige Zigeuner” und Personen mit „besonders auffälligem Einschlag von Zigeunerblut” vom aktiven Wehrdienst ausgeschlossen werden 14Auf Drängen der Partei ordnete das Oberkommando der Wehrmacht am 11. Februar 1941 und am 10. Juli 1942 noch einmal den Ausschluss aller Sinti und Roma aus "rassenpolitischen" Gründen an."Aus rassepolitischen Gründen wird bestimmt:1. Neueinstellungen von Zigeunern oder Zigeunermischlingen (auch Freiwillige) in den aktiven Wehrdienst sind unzulässig. 2.Etwa noch im aktiven Wehrdienst stehende Zigeuner oder Zigeunermischlinge sind unverzüglich ... aus dem aktiven Wehrdienst zu entlassen". (Allgemeine Heeresmitteilungen, Februar 1941)Trotz der Fürsprache einiger Vorgesetzter wurden Angehörige der Minderheit direkt von der Front nach Auschwitz deportiert, manche trugen dort bei der Ankunft noch ihre Uniform. Nach dem Erlass des OKW vom 12. Juli 1944 sollten sogar diejenigen Wehrpflichtigen entlassen werden, die mit "Zigeunerinnen" verheiratet waren.Der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Hermann Göring, schloss Sinti und Roma in einem Erlass vom 7. Januar 1942 auch aus dem "Sicherheits- und Luftschutzwarndienst" aus. Ebenso wurden auf Anordnung des "Jugendführers" vom 15. Mai 1942 alle Angehörigen der Minderheit aus der "Jugenddienstpflicht", also der "Hitler-Jugend", entlassen.Sinti oder Roma hatten schon im Kaiserreich und während des Ersten Weltkrieges in der Armee gedient. Deshalb wurden zu Kriegsbeginn im September 1939 die wehrpflichtigen deutschen Sinti oder Roma zum Kriegsdienst einberufen, oder sie meldeten sich freiwillig, um für "ihr" Land zu kämpfen 15.

Grundlegend änderte sich die Lage für die Sinti oder Roma ab dem 14. August 1940. Im Reichssicherheitshauptamt wurde ein Runderlass formuliert, in dem es hieß, dass der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, beabsichtige, die weiblichen Zigeuner und Zigeunermischlinge grundsätzlich vom Arbeitsdienst auszuschließen. Der Ausschluss der sogenannten „fremdrassischen” Personen aus der Wehrmacht hatte schon im April 1940 früher begonnen. Im Oktober 1940 erging ein entsprechender Erlass, dass aus bestimmten Dienststellen Sinti und Roma entfernt werden sollten. Konkreter Anlass war die Auszeichnung eines Sinto mit dem EK I, dem Eisernen Kreuz, I. Klasse, gewesen. Auf den Fall war der Reichsamtsleiter des Reichspropagandaministeriums aus der Stadt Berleburg aufmerksam gemacht worden. Allein aus dieser kleinen südwestfälischen Stadt waren 26 Sinti zur Wehrmacht eingezogen worden. Vom Reichspropagandaministerium wurde die Angelegenheit an den Verantwortlichen für Rassenfragen beim Führer herangetragen. Da es aus der Sicht der Nationalsozialisten nicht sein konnte, dass ein „Fremdrassiger” höchste militärische Auszeichnung bekam, wurde zwischen Hitlers Stab und dem Oberkommando der Wehrmacht die Übereinkunft getroffen, dass „Zigeuner und Zigeunermischlinge“ wie „jüdische Mischlinge I. Grades“ der Ersatzreserve II zuzuweisen seien. Dies entsprach der Verfügung, die im Sommer 1941 in den "Allgemeinen Heeresmitteilungen" veröffentlicht, und als AHM 41, Ziffer.153 in den Ausschließungspapieren der Betroffenen aufgeführt wurde.Ab 1941 wurden alle ermittelten Sinti und Roma konsequent aus dem deutschen Militär entfernt 16 . Dazu wurden kommunale Behörden aufgefordert, Listen aller wehrpflichtigen "Zigeuner" zu erstellen.

 


1 - 4 Digam Archiv Marburg Sinti und Roma/ Linkhinweis Antiziganismus Udo Engbring Romang Hessen 2006/ 5 Reichsbürgergesetz Quelle: Reichsgesetzblatt 1943 S, 268Schönfelder, Deutsche Reichsgesetze, Beck 1944/ 6-9 Digam Archiv Marburg-Sinti und Roma/  Rosenheim im 3.Reich-Stadtarchiv Rosenheim/ 10-16 Digam Archiv Marburg Sinti und Roma. 17- Aufzeichnung Faulhabers in Gabelsberger Stenographie, 5.4.1943. Erzbischöfliches Archiv München [EAM], Nachlass [NL] Faulhaber 10021. Die in Gabelsberger Stenographie verfassten Faulhaber-Tagebücher sind seit Sommer 2012 der wissenschaftlichen Forschung zugänglich. Romani Rose, Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Heidelberg, machte in der TV-Sendung "Markus Lanz" v.11.9.2014 darauf aufmerksam, dass "Adler" sein unter dem falschen Namen Alexander Adler überlebender Vater Oskar Rose gewesen sei, der später seinem Sohn erzählte, er habe versucht, Kardinal Faulhaber zu sprechen, sei aber nicht vorgelassen worden und habe sogar gefürchtet, die Gestapo werde gerufen. Bislang hatte es hierfür keinen schriftlichen Beleg gegeben.18 - Aufzeichnung Faulhabers in Gabelsberger Stenographie, 7.4.1919. EAM, NL Faulhaber 10003. Zu Faulhaber in der Münchner Revolutionszeit: Antonia Leugers, "weil doch einmal Blut fließen muss, bevor wieder Ordnung kommt!" Erzbischof Faulhabers Krisendeutung in seinem Tagebuch 1918/19, in: Antonia Leugers (Hg.), Zwischen Revolutionsschock und Schulddebatte. Münchner Katholizismus und Protestantismus im 20. Jahrhundert (im Druck).